Agile Konferenzen sind eine tolle Möglichkeit, sich mit Fachleuten zu den aktuellen Trends im Bereich Agiler Vorgehensweisen auszutauschen. Während der ersten Lebensjahre unserer Kinder waren Konferenzbesuche für mich leider erstmal nicht möglich. Nachdem Sonnenschein endlich alt genug war, um auch mal ein paar Tage ohne mich auszukommen, stolperte ich über die Konferenz „Women in Agile Europe“. Kurz zuvor hatte ich einige Denkanstöße von Sarah Mei bezüglich der Probleme Agiler Methoden in einem heterogenen Umfeld bekommen, z.B. in folgendem Video (35 Minuten, auf Englisch):
Falls dir das Video zu lang ist, kannst du ihre Argumente auch in diesem Thread auf Twitter nachlesen (auf Englisch): „Wondering why all the agile/XP stuff (like pairing, TDD, etc) doesn’t seem to work for a heterogenous team?“
Weil mich also das Thema Vielfalt in Agilen Umgebungen schon beschäftigte, fiel die Wahl für einen Konferenzbesuch in 2019 auf die erste Women in Agile Europe in Amsterdam. Eigentlich wollte ich mich nur mit anderen Fachleuten über Themen rund um das Agile Arbeiten austauschen. Mit der Anmeldung erhielt ich allerdings auch die Nachricht, dass es die Möglichkeit gab, einen Kurzvortrag (sogenannten Lightning Talk) über ein selbst gewähltes Thema zu halten.
Also beschloss ich spontan, mich zu bewerben. Und tatsächlich erhielt ich die Chance, einen Vortrag von 6 Minuten über Agile Parenting zu halten.
Inhalt
Das Besondere an Women in Agile
Die Women in Agile Community bemüht sich um Gleichstellung und Inklusion bei der Repräsentation von Vielfalt, beim Fachwissen und beim Engagement in der Agilen Community. Wir legen Wert auf Vielfalt bei der Vorstellung von Ideen, um die Agile Community und Unternehmen zu stärken, und glauben, dass es für alle Beteiligten besser ist, wenn mehr Ideen bekannt werden.
frei übersetzt vom Code of Conduct der Women in Agile
Agile Konferenzen haben an sich schon ein besonderes Flair. Hier wird Kooperation und Respekt groß geschrieben. Bei der Women in Agile war das nochmal ausgeprägter. Es gab nicht nur einen dedizierten Code of Conduct, der dafür sorgen sollte, dass sich alle Teilnehmenden sicher und wohl fühlten. Es war auch insgesamt eine sehr zugewandte Atmosphäre. Die Rednerinnen waren nicht kontaktscheu und mischten sich in den Workshops mit unter die Leute.
Vorbereitung auf den großen Auftritt
Da hatte ich den Salat. Aus einem Impuls heraus hatte ich mich für den Kurzvortrag beworben und nun sollte ich liefern.
In einer Familie mit kleinen Kindern gibt es nie Zeit, die übrig bleibt. So kam es wie es kommen musste: Ich hatte nur wenige Stunden Zeit, um mich überhaupt auf den Kurzvortrag vorzubereiten. Als die Storyline und Präsentation fertig waren, stellte ich fest, dass ich Stichworte brauchte, an denen ich mich entlang hangeln konnte. Also startete ich kurzerhand eine Bastelaktion und erstellte mir Stichwortkarten mit Logo.
Zum Glück ist unser Agiler Haushalt mit allem ausgestattet, was man an Bastelwerkzeugen so braucht.
Der Kurzvortrag über Agile Parenting
Mein Vortrag war ziemlich am Ende des Konferenztages angesetzt. Eine leichte Nervosität begleitete mich also über den ganzen Tag hinweg. Kurz bevor ich dann auf die Bühne sollte, wurde ich dann allerdings ganz ruhig.
Da stand ich nun also vor rund 170 Leuten und sollte auf Englisch mein Thema vorstellen. Die vorbereiteten Stichwortkarten konnte ich fast auswendig. Das war auch gut so. Ich stellte nämlich fest, dass ich mit dem Mikrofon in der einen Hand und der Fernbedienung für die Präsentation in der anderen Hand keine Hand mehr für die Karten übrig hatte.
In dem Moment hatte ich auch keine Zeit zu vergeuden (6 Minuten sind wirklich kurz!). Also legte ich einfach los und erzählte frei heraus, was ich mir vorher überlegt hatte. (Die Präsentation ist auf Slideshare verfügbar, die Inhalte sind eine Kurzversion meines ersten Artikels Was Frieren mit Selbstorganisation zu tun hat.)
Die Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung hielt auch hier weiter an: In der ersten Reihe wurde ich tatkräftig von Suzanne Doyle (die nach mir ihren Lightning Talk hielt) und Alisa Stolze von eduScrum ermuntert.
Viel Resonanz für Agile Elternschaft
Für mich waren die Rückmeldungen zu meinem Vortrag besonders wichtig, da ich hier die einmalige Chance hatte, direktes Feedback von meiner Zielgruppe zu bekommen. Ich führte einige anregende Gespräche nach dem Vortrag. Es gab eine Handvoll Personen, die mir erzählten, dass sie selbst auch immer damit zu kämpfen hatten, dass ihre Eltern sie zu warm anziehen wollten. Es gab auch viele Eltern, die gleich probieren wollten, ihren Kindern bei der Kleiderwahl mit mehr Vetrauen entgegen zu kommen. Schriftliches Feedback gab es auch, stilecht mit Klebezetteln.
Meine besonderen Highlights
Auch wenn es nicht besonders originell ist, waren für mich die Keynote-Vorträge bei dieser Konferenz besonders sehenswert. Der Vortrag von Jutta Eckstein mit dem Thema „What if the world is our customer?“ war ein Rundumschlag in alle Themen rund um Agile bzw. „neue“ Vorgehensweisen in Unternehmen (ein kleiner Auszug aus ihrem bald erscheinenden Buch „Unternehmensweite Agilität„). Besonders erhellend für mich war der kurze Abstecher in das Thema, welche Unternehmensprozesse besonders teuer sind und warum.
Die komplette Präsentation ist auf SlideShare verfügbar.
Die Abschluss-Keynote von Lyssa Adkins (Autorin des Standardwerks „Coaching Agile Teams“) hat mich auch besonders berührt. Sie hielt ein flammendes Plädoyer dafür, „weibliche“ Eigenschaften in der Agilen Community noch mehr willkommen zu heißen. Die Agile Community ist da im Vergleich zu anderen Bereichen in der Arbeitswelt schon ziemlich weit, aber es gibt noch genügend Luft nach oben.
Sehr eindrucksvoll war auch der Pixar-Kurzfilm Purl, den sie im Rahmen dieser Präsentation zeigte (9 Minuten, auf Englisch).
In diesem 9-minütigen Film wird ohne erhobenen Zeigefinger gezeigt, wie es ist, als Person, die andere Eigenschaften hat, in einen Arbeitsbereich einzudringen, der stark normiert ist. Zu viele der gezeigten Situationen kenne ich auch aus meinem Arbeitsleben in der doch sehr stark männlich dominierten IT-Unternehmensberatung.
Sehr schön war auch der Ausklang am Abend. Nicht nur das Dessert-Büffet ließ mein Herz höher schlagen.
Auch die anregenden Gespräche mit den Teilnehmenden (u.a. auch mit Lyssa Adkins) rundeten die Erfahrung der Konferenz für mich sehr schön ab.
Für mich war der Besuch der ersten Women in Agile Europe also ein voller Erfolg. Und nächstes Jahr findet die Konferenz vielleicht sogar in Deutschland statt.
Bildnachweise: Das Foto meines Vortrags, der Feedback-Wand und der Rednerinnen, stammen aus der Konferenz-Dokumentation von Harry Nieboer, der mir freundlicherweise die Erlaubnis zur Verwendung gegeben hat.