Wie unser Kind selbstbestimmt schwimmen lernte – ganz ohne Schwimmkurs

Aktualisiert am 1. Juni 2020

Schwimmen lernen Kinder im Schwimmkurs. Oder etwa nicht? Irgendwer muss ihnen doch zeigen, wie das geht. So dachte ich lange Zeit zumindest. Und doch hat unser Kind ganz ohne Schwimmkurs in seinem eigenen Tempo Schwimmen gelernt.

Babyschwimmen gehört doch dazu!?

Ich bin selbst als Kind unheimlich gern schwimmen gegangen und mochte schon lange vor der Geburt von Wirbelwind die Idee des Babyschwimmens. Also meldete ich uns zu einem Babyschwimmkurs an.

Was habe ich mich da gelangweilt!

Für eine halbe Stunde Plantschen mit den Kleinen musste ich mit meinem 6-monatigen Baby quer durch die Stadt fahren, um zu einer bestimmten Uhrzeit in der Schwimmhalle zu sein. Ich hatte mir irgendwie mehr vom Babyschwimmen erhofft, als einfach mit Baby auf dem Arm im Schwimmbecken herumzulaufen, mit Bechern und Bällen zu spielen und Kinderlieder zu singen. Wirbelwind fand es zwar in der Regel lustig und war das Kind, das am meisten vor Freude quiekte, aber das ganze Drumherum hat für mich einfach nicht gepasst. Ganz abgesehen von den hohen finanziellen Kosten für den ganzen Spaß. Das war für unsere Familie das endgültige Ende von Babykursen.

Ein Kind ohne Wasserscheu

Wirbelwind war von klein auf eine Wasserratte. Während sie als Baby vieles vehement ablehnte (z.B. im Kinderwagen zu liegen), ließ sie sich erstaunlicherweise gern baden.

Im Familienurlaub im Mai krabbelte sie ohne mit der Wimper zu zucken ins noch ziemlich kalte Meer. Auf einem Campingplatz mit Pool mussten wir Eltern mehr als einmal hinterher springen, wenn Wirbelwind wie hypnotisiert vom Wasser einfach in’s tiefe Schwimmbecken sprang, obwohl sie gerade keine Schwimmscheiben trug.

Um Wirbelwind den Spaß im Wasser nicht vorzuenthalten, fuhr sie nach unserer mäßigen Erfahrung mit dem Babyschwimmen stattdessen regelmäßig mit dem Herzensmenschen am Wochenende in’s Schwimmbad.

Eigentlich gute Voraussetzungen für frühes Schwimmenlernen

Da Wirbelwind für meinen Geschmack zu wenig Respekt vor dem Wasser hatte, suchte ich schon sehr früh nach echten Schwimmkursen, in denen Kinder nicht nur an das Wasser gewöhnt werden sollten, sondern auch lernten, sich über Wasser zu halten.

Dabei musste ich feststellen, dass die meisten Schwimmkurse erst ab 5 Jahren angeboten werden. Mit meinem heutigen Wissen ist das auch nicht verwunderlich, weil die Kurse meist so gestaltet sind, dass die Eltern nicht dabei sein dürfen und eine erwachsene Person den Kindern vorgibt, welche Bewegungen sie machen sollen. Das wäre mit unserem damals 2-jährigen Wirbelwind auf keinen Fall gut gegangen. Das Thema Schwimmkurse war für mich zu diesem Zeitpunkt also erstmal abgehakt.

Ich suchte nun nach Möglichkeiten, das Thema Schwimmenlernen für unser Kind selbst in die Hand zu nehmen.

Wer sucht, wird fündig…

Ich selbst habe als Kind mit meinen Großeltern und Eltern an einem kleinen See Schwimmen gelernt. Also war ich davon überzeugt, dass ein Kind auch ohne Schwimmkurs schwimmen lernen kann. Da unsere amateurhaften Versuche, Wirbelwind Schwimmbewegungen zu zeigen, eher auf Ablehnung stießen, fing ich an, Videos zum Thema Schwimmenlernen zu suchen. Auch Bücher zum Thema Schwimmenlernen landeten in meiner Leseliste. Das Lernen durch Lesen verwarf ich aber sofort wieder, da mir für das Thema Schwimmen Videos passender erschienen.

So richtig überzeugend fand ich die Ergebnisse meiner Recherche zunächst nicht. Bis ich irgendwann auf die Seite der Erziehungswissenschaftlerin Evelyn Podubrin stieß, die genau die Stichworte verwendete, die mir für Wirbelwinds Lernfortschritt so wichtig waren: Freie Bewegungsentwicklung.

Evelyn Podubrin vertritt einen Ansatz, den wir schon mit der motorischen Entwicklung von Wirbelwind gelebt hatten: Als Eltern möglichst wenig eingreifen und das Kind seine Bewegungen selbst erkunden lassen. Wirbelwind war zu diesem Zeitpunkt mit ihren Bewegungen schon sehr sicher. Sie kletterte, rannte und sprang auf Spielplätzen herum, als hätte sie nie etwas anderes getan.

In der Arbeit als Coaches von Agilen Teams kannten wir diesen Lernansatz schon: Lieber ein Team eigene Erfahrungen machen lassen und in Kauf nehmen, dass es im überschaubaren, sicheren  Rahmen auch mal Fehler macht, anstatt ihm vorzugeben, wie es seine Arbeit erledigen soll, selbst wenn wir die vermeintlich bessere Lösung schon kennen. So kriegen die Teammitglieder die Möglichkeit, durch eigene Erfahrungen zu lernen. Und in der Regel kommen dabei am Ende die besseren Ergebnisse heraus.

Die Idee, dass das beim Schwimmenlernen unseres Kinds genauso funktionieren könnte, war für mich eine erfreuliche Erkenntnis.

Schwimmen lernen in einer Online-Schwimmschule?

Evelyn Podubrin betreibt die erste Online-Schwimmschule Europas.

Als ich dem Herzensmenschen davon erzählte, dass ich für Wirbelwind einen Online-Schwimmkurs machen möchte, hat er erst einmal gelacht. Klingt ja auch im ersten Moment seltsam, Schwimmen online lernen zu wollen. Der Preis wirkte dazu auch noch ziemlich hoch.

Doch verglichen mit einem Schwimmkurs vor Ort, der für uns eine hohe Gefahr barg, dass Wirbelwind nicht mitmachen würde und wir abbrechen müssten, klang der Online-Schwimmkurs deutlich vielversprechender.

Was habe ich im Online-Schwimmkurs gelernt?

Nachdem wir uns also für den Online-Schwimmkurs entschieden hatten, schaute ich innerhalb von 1-2 Tagen das gesamte Video-Material durch.

Das Prinzip des freien Schwimmenlernens ist an sich ziemlich einfach, fühlt sich nur leider durch unsere Sozialisation anfangs kontra-intuitiv an: Kinder lernen schwimmen, indem sie sich im sicheren Rahmen im Wasser aufhalten, mit Wasser experimentieren können und Fortgeschrittene dabei beobachten können, was man im Wasser so alles anstellen kann. Es braucht keine Anleitung durch Erwachsene, Eltern sind vor allem als Sicherheitsanker involviert, indem sie in der Nähe bleiben und darauf achten, dass das Kind sich nicht in Lebensgefahr begibt. Schwimmhilfen, die den natürlichen Auftrieb im Wasser künstlich verstärken, sollten dabei nicht eingesetzt werden, um das Gefühl für den natürlichen Auftrieb nicht zu torpedieren.

Der Online-Schwimmkurs enthält einige Module zum Thema Sicherheit im Wasser für das Kind, so dass du alles Wissen in der Hand hast, um deinem Kind zu ermöglichen, selbstbestimmt Schwimmen zu lernen, ohne sich in Gefahr zu begeben. Auch auf das Thema eigener Ängste vor dem Wasser geht Evelyn Podubrin ein. Denn wie soll ein Kind Schwimmen lernen, wenn es merkt, dass sich seine Eltern im Wasser nicht wohlfühlen?

Diese vermaledeiten Schwimmhilfen!

Mit dem Wissen des Online-Schwimmkurses konnte ich den nächsten Schwimmbadbesuch kaum abwarten. Doch natürlich lief das Schwimmen dann nicht so, wie ich mir das vorher ausgemalt hatte. Wirbelwind war schließlich mittlerweile 3 Jahre alt und war seit mehr als 2 Jahren an ihre Schwimmscheiben gewöhnt. Die wollte sie jetzt auch nicht einfach so hergeben.

Hier fanden wir für uns den Kompromiss, dass wir im flachen Wasser immer anboten, die Schwimmscheiben auszuziehen, was Wirbelwind auch gern tat. Da sie durch unsere früheren Schwimmbadbesuche den Kontakt zum tiefen Wasser jedoch bereits kannte, wollte sie den nicht mehr missen und verlangte dort dann nach dem Sicherheitsgefühl durch ihre Schwimmhilfen.

Ein tolles Hilfsmittel, um hier spielerisch das Ablegen der Schwimmhilfen zu unterstützen, waren Tauchringe und eine Schwimmbrille: Nach den Tauchringen lässt sich nur ohne Schwimmhilfen gut tauchen und mit der Schwimmbrille ist es angenehmer im Wasser die Augen offen zu halten und sich unter Wasser zu orientieren.

Zunächst ließ Wirbelwind erst mal mich oder den Herzensmenschen nach den Ringen tauchen. Mit der Zeit versuchte sie das Tauchen nach den Ringen auf einer Treppe, wo sie kaum untertauchen musste. Etwas später traute sie sich dann auch, wirklich die Luft anzuhalten und den Kopf komplett unter Wasser zu tauchen.

Wie wir die Schwimmhilfen dann doch losgeworden sind

Wie so oft im Leben mit Kindern, war viel Geduld auch hier wieder der Schlüssel zum Erfolg. Wir gingen regelmäßig in’s Schwimmbad und versuchten, einfach zusammen Spaß am Wasser zu haben. Ganz ohne Druck.

Nachdem einmal auch ein älteres befreundetes Kind dabei war, wollte es Wirbelwind mit weniger Auftrieb versuchen, also nahmen wir jeweils eine von den drei Scheiben an beiden Armen ab. Das klappte auch auf Anhieb, so dass wir zumindest beruhigt waren, dass sie Fortschritte auf dem Weg zum freien Schwimmen machte. Weitere Scheiben wollte Wirbelwind aber zunächst nicht hergeben.

Den größten Fortschritt konnten wir im Urlaub beobachten. Wir verbrachten eine Woche mit mehreren befreundeten Familien in einem Ferienhaus mit Swimming-Pool. Dort waren wir jeden Tag mehrere Stunden im Wasser. Wirbelwind nutzte diese Zeit intensiv um nach den Tauchringen auf der Treppe zu tauchen. Wir fragten sie, ob sie noch eine Scheibe von ihren Schwimmscheiben reduzieren wollte und endlich fühlte sie sich sicher genug dafür. Allein das war schon ein riesiger Schritt, da der Auftrieb durch die verbliebene Schwimmscheibe wirklich nur noch minimal war und Wirbelwind dem freien Schwimmen somit nochmal deutlich näher gekommen war.

Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass es jetzt wieder Monate dauern würde, bis wir den letzten Schritt gehen konnten. Wir fragten trotzdem am nächsten Tag gleich, ob sie es denn auch mal komplett ohne Schwimmscheiben versuchen wolle. Und sie stimmte zu.

Nicht nur das. Wirbelwind machte daraufhin ihre ersten freien Schwimmzüge!

Erfolg beflügelt

Dieses Strahlen in den Augen und der stolze Ausruf „Ich kann schwimmen!“ werden mir wohl noch lange im Gedächtnis bleiben.

Ab da gab es kein Halten mehr. Den Rest des Urlaubs wollte Wirbelwind im Schwimmbecken verbringen und weiter üben. Die Schwimmscheiben waren mit sofortiger Wirkung ausgemustert.

Dieses Erfolgserlebnis gab unserem Wirbelwind so einen Motivationsschub, dass sie in den verbleibenden zwei Tagen, die wir noch im Urlaub waren, von einer kurzen Distanz von vielleicht 2 Metern erhöhte auf mehr als doppelt so viel. Zusätzlich entdeckte sie, dass sie unter Wasser schneller voran kam und entwickelte zeitgleich ihre Tauchfähigkeiten weiter. So schaffte sie es unter Wasser am Ende unseres Urlaubs genauso weit wie über Wasser.

Weitere Fortschritte

Nach dem Urlaub kramten wir noch Wirbelwinds Taucherflossen wieder aus. Das ist nämlich eine der wenigen Schwimmhilfen, die die natürlichen Schwimmbewegungen unterstützt statt falsche Sicherheit zu vermitteln. Mit den Schwimmflossen schwimmt und taucht sie mittlerweile pfeilschnell durch’s Becken. Dabei wird sie mit jedem Schwimmbadbesuch besser.

Erst tauchte Wirbelwind nur möglichst weite Strecken, dann traute sie sich auch, in die Tiefe zu tauchen, um ihre Tauchringe selbst hochzuholen.

Sie ist mit so viel Begeisterung dabei, dass sie sich nach jedem Fortschritt noch ein bisschen mehr herausfordert. Immer ein Stück weit außerhalb ihrer Komfortzone, um dazuzulernen. Theroretisch weiß ich, dass Kinder so lernen: Niemals auf der Stelle treten, sondern mit jedem Lernschritt wieder neue Experimente starten. Aber es so deutlich zu erleben ist doch ein Unterschied.

Und es macht so viel Freude, diese Begeisterung zu sehen mit dem Wissen, dass unser Wirbelwind es ganz allein (mit minimaler Unterstützung von uns) geschafft hat, diesen Schritt zu meistern.

Wie lang hat das Schwimmenlernen bei uns gedauert?

Wirbelwind war 5,5 als sie ihre ersten Schwimmzüge machte. Ich würde dieses Alter aber auf keinen Fall als Zielsetzung verstehen. Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich, jede Familie hat andere (zeitliche und finanzielle) Möglichkeiten für das Schwimmenlernen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Sonnenschein früher schwimmen kann, da er das Glück hatte, von Anfang an ohne Schwimmhilfen starten zu dürfen. Er macht z.B. jetzt schon mit seinen 2,5 Jahren erste Tauchübungen.

Freies Schwimmenlernen ist Agiles Schwimmenlernen

Für uns ist das freie Schwimmenlernen genau der richtige Weg. So haben wir (wie wir es bei einem Agilen Team auch machen würden) Wirbelwind und Sonnenschein die Möglichkeit gegeben, selbst auszuprobieren: Wie sich Wasser anfühlt, wie Auftrieb funktioniert und was passiert, wenn man welche Bewegungen macht.

So haben jetzt beide Kinder die Grundlagen dafür, sich sicher im Wasser fortzubewegen und sie haben dies durch eigene Erfahrung gelernt. Das ist ein deutlich nachhaltigerer Lerneffekt als wenn sie einfach die Bewegungen nachgemacht hätten, die ihnen jemand anderes vorgegeben hat.

Mein Fazit als Agiler Elternteil lautet also: Freies Schwimmenlernen ist Agiles Schwimmenlernen.

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Autor:in

Silke hat zwei Kinder, lacht erschreckenderweise besonders laut über Flachwitze und liebt die Scheibenwelt von Terry Pratchett.

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  1. Geht man denn dann direkt ohne Schwimmhilfen ins tiefe Wasser, wo die Kleinen nicht mehr stehen können?

    Unser Schwimmbad hier hat leider nur einen Kleinkindbereich, wo das Wasser gerade mal bis zur Hüfte, wenn überhaupt, geht und die anderen Becken sind dann schon ganz tief. Da kann ich gerade noch stehen.

    1. Nein. Am Anfang nur so tief, wie sich das Kind noch sicher fühlt. In tieferen Becken gibt es oft Treppen, wo man sich langsam an’s tiefere Wasser herantasten kann. Auf Treppen kann man auch super mit Tauchringen starten.

      Aber nicht jedes Schwimmbad hat die richtigen Bedingungen dafür 😌.

  2. Hallo Silke,
    wird dem Kind dann gesagt, dass es die Luft unter Wasser anhalten soll? Der Reflex ist meines Wissens ja schon sehr frühzeitig verschwunden…
    Liebe Grüße Ute

    1. Hallo Ute,
      meine Kinder haben von sich aus die Luft angehalten, aber es schadet sicher nicht, es ihnen auch noch einmal zu sagen, wenn sie sich mit dem Wasser vertraut machen ;-).

  3. Ich bin begeistert und lese seit über einer Stunde Deine Beiträge und hätte Vieles davon gerne gewusst, als Deine Mama und die anderen Beiden klein waren. Respekt!

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